Die südamerikanische Band „Escuela De Aviación“ war mir bislang nicht bekannt. Wenn ich das richtig sehe, ist sie seit 2022 aktiv und hat sich dem klassischen Minimal verschrieben. Dazu mischen „Escuela De Aviación“ aktuelle Sounds, so dass sie mitnichten angestaubt klingen. Vielmehr hat ihre Musik etwas Mitreißendes. Auf dem ersten Album – schlicht „#1“ benannt – scheinen sie noch etwas ihren Weg zu suchen, den sie dann ein Jahr später auf „fabricas de uniformes“ offensichtlich gefunden haben. Tolles Album, das es hoffentlich bald auch physisch geben wird!
2021 überraschte der Kanadier „Roy“ mit dem Album „roy’s garage„. Tatsächlich gab es lange kein derart überzeugendes Westcoast-Psych-Pop-Album. Darum erschien mir die Ankündigung eines neuen Album des Künstlers viel versprechend. „spoons for the world“ ist aber anders als seine Vorgänger. Viel mehr Folk als Psychedelic, viel mehr 70s als 60s. Die Stücke sind getragen, bisweilen ohne Schlagzeug, schwebend und kitschig schön. Der Gesang ist auch anders als zuletzt und erinnert gleichermaßen an Rufus Wainwright(!) und an Tim Buckley(!!). Was nach Perfektion klingt, will überraschenderweise nicht richtig zünden. Ich kann den Grund nicht ausmachen, aber das Album überzeugt mich nicht.
Das britische Kolletktiv „Primal Scream“ um Sänger Bobby Gillespie kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Einst schrieben sie mit ihrem Album „screamadelica“ und damit im Manchester Rave Musikgeschichte. Danach präsentierten sie sich abwechslungsreich und selten vorhersehbar. Wie etwa bei dem elektronischen „exterminator“ im Jahr 2000. Im neuen Jahrtausend wurden die Releases weniger, bewegten sich aber immer auf konstant hohem Niveau. Die Musik von „Primal Scream“ pendelte sich ein zwischen 70s Funk, Groove, Gospel, Elektronik und wilder Psychdelic ein. So auch auf „come ahead“. Den Ohren bietet sich hier ein wilder Ritt von 70s Grooves, Psychdelic bis hin zu opulenten 60s Arrangements und einigem mehr. Was ihnen dem Kollektiv dank guter Melodien und herausragender Arrangements gelingt, ist beeindruckend. Langeweile gibts keine Minute auf dem neuen Werk. Stattdessen hört man spätestens ab Track 2 („love insurrection“) gebannt zu. „come ahead“ dürfte das beste „Primal Scream“ Album seit über 20 Jahren sein. Heiße Empfehlung!
Anfang des Jahres erschien die Debüt 7″ des Duos „La Nuit Je Mens“ und überzeugte mit konsequentem Minimal. Zum Ende des Jahres schieben die zwei Italiener das Debüt Album „teatro del metapresente“ nach. Darauf gibt es auch einige modernere Tracks. Das macht das Album merklich vielseitig. Gleichzeitig setzen sie den spröden Charme der 7″ fort. Tolles Album. Schade nur, dass es lediglich 7 Tracks umfasst, von denen einer obendrein schon auf der Single enthalten war. Da hätten sie sich vielleicht ein wenig mehr Zeit lassen sollen und zehn komplett neue Tracks veröffentlichen können. Aber bei der hohen Qualität der Musik ist das maulen auf hohem Niveau!
Ende des Jahres geben sich noch einmal „Trees Speak“ die Ehre. „timefold“ heißt das Album – ihr bereits siebtes seit 2017! Das Instrumental Duo geht hier einerseits bekannte Wege, wenn sie sich bisweilen krautig Soundscapes nähern, die man aus 80er Filmen und/oder dem Stranger Things Soundtrack kennt. Neu ist der Einsatz akustischer Instrumente. Das erweitert den Klangkosmos und macht „timefold“ noch vielseitiger als seine Vorgänger. Wo gängige Postrock Bands schnell beginnen zu langweilen, suchen „Trees Speak“ immer neue Wege und schaffen es trotz der recht vielen Releases weiterhin abwechslungreich und spannend zu bleiben.
Das Projekt „The Rorschach Garden“ erfreut seit nunmehr über 30 Jahren mit regelmäßigen Releases. Als Grundlage dient 80er Minimal, den Philipp Münch – einzig ständiges Mitglied des Projektes – geschickt verschieden varriert. Das gelingt nicht immer gut. Vielleicht ist das auch ein Grund, wieso es „The Rorschach Garden“ nie in die erste Reihe der aktuelle Minimal Acts schaffte. Gerade ist das aktuelle Album „pleausure under pressure“ auf Ant-Zen digital und als CD erschienen. Hier zeigt sich die Band von ihrer besten Seite: Minimal mit schönen Ideen und spannenden Sounds. Davon wäre eine LP wünschenwert!
Im letzten Jahr debütierte die niederlämdische Band „Desinteresse“ mit ihrem Album „vor altijd„. Ihre 80er Jahre Veehrung geht dabei so weit, dass die Aufnahme Qulität ähnlich mies ist wie DIY Demo Tapes in jenem Jahrzehnt. So sehr ich die 80er schätze: Den Move fand ich dann doch übertrieben. Auch ihre ästhetisch krasse Nachahmnung von „The Cure“ etwa zur „pornography“-Zeit find ich doch eher albern. Dennoch scheinen sie gerade live zu fanszinieren. Und: Im August erschien die 7″ „grijze dromen„. Deutlich besser aufgenommen, entwickeln sie hier durchaus einen eigenständigen wavigen Stil. Bitte so weiter machen. Dann kann man das Frühwerk getrost vergessen…
Danny Boston ist inwzischen seit 45 Jahren als „Das Ding“ aktiv! Bekannt wurde er vor allem wegen seiner Wiederveröffentlichungen auf Minimal Wave und besonders wegen des Clubhits „reassurance ritual„. Schnell wurde „Das Ding“ zu einem der Vorzeigeprojekte des Minimal-Hypes vor einem guten Jahrzehnt. Dass das Projekt weit mehr zu bieten hat, zeigt sich nicht nur bei den aktuellen Auftritten mit Modular Synthies, sondern auch die jüngst erschienen Zusammenstellung mit Aufnahmen von 1979-1985. Die Tracks bewegen sich zwischen Minimal, Experiment und Früh-80er-Tapesound. Das ist nicht immer „hitig“, aber immer spannend! Tipp!
Ursprünglich wurde das Label Antler Records in den frühen 80ern in Belgien gegründet und zeichnete sich für etliche legendäre Releases aus den Bereichen von No Wave über Minimal bis EBM verantwortlich. Seit 2023 ist das Label wieder aktiv und veröffentlicht erneut. Mit dabei sind Sampler mit teils gesuchten Stücken des Label Backkataloges – schlicht „early years“ betitelt. Teil eins und zwei wussten bereits zu überzeugen. Nun gibt es Teil drei, der nahtlos an die Vorgänger anschließt. Die Stücke reichen vom „Snowy Red“ Hit „never alive“ bis zu den mir bislang nicht bekannten „Company Of State“ mit „hound„. Insgesamt sollen es am Ende vier Teile werden. Sinnvoll investiertes Geld!
2020 überraschte die Band „Future Faces“ aus Genf mit ihrem Debüt „euphoria„. Ende des Monats erscheint der Zweitling „memoria“. Man hört dem Album in jedem Augenblick an, dass hier an allem gefeilt wurde. So schaffen es „future faces“ zwar poppiger und eingängiger von den Sounds her zu klingen. Gleichzeitig sind die Stück aber vertrackt und bis ins Detail ausgearbeitet. Gewöhnlich ist keiner der elf Tracks. Das geht bei dem ein oder anderen Track auf Kosten der Eingängigkeit. Aber das macht gar nichts, kreieren die Schweizer doch eine ganz seltsame eigene Atmosphäre zwischen Cold Wave, Electro, Postpunk und Pop. Alles ist hier eine große Geste. Und so kann man sich spätestens bei „i kiedys ja“ der Faszionation des Albums nicht mehr entziehen. Überhaupt ist „memoria“ ein Album Album. Das bedeutet, dass es zum Durchhören einlädt. Bei „i kiedys ja“ singt „Belgrado“s Patrycja Proniewska und fügt dem Ganzen noch eine weitere Facette hinzu. Spannendes Album! Leider gibt es bisher offenbar keinen Vertrieb für Deutschland; denn das Album gibt es nur auf der Band oder Label Seite zu kaufen.