Einer dieser 80er Minimal Schätze, die viele gerne hätten, ist „entertainment“ von den schwedischen „Ausgang Verboten“ aus dem Jahr 1984. Damals nur als Tape erschienen, erfolgte tatsächlich 2004 eine Vinyl Veröffentlichung, die aber längst vergriffen und nicht unter 100 Euro zu haben ist. Der treibende DIY Minimal macht ausgesprochen viel Spaß. Wie wäre es da mit einer Neuauflage der LP von 2004? Zumindest den „Hit“ consumer gibt es auf mehreren Zusammenstellungen:
Erst im Januar erschien das letzte Album des Briten „This Is The Bridge“. Nun das nächste. Langsam wird es langweilig möchte man meinen. Wenn er so weiter gemacht hätte wie bisher, wäre das auch sicher so. Aber tatsächlich ist ihm das wohl selber klar geworden, weshalb „iconoclasm“ doch merklich anders ist als seine Vorgänger. Klar stehen bei dem Synth Sound des Ein-Mann-DIY-Projektes weiterhin die 80er im Fokus. Allerdings sind die Tracks weniger minimal, sondern angereichert mit Italo oder EBM Sounds, sodass man beinahe von opulenten Arrangements reden möchte. Schönes Album, das man sich auch mal wieder physisch wünschen würde.
Das kann doch gar nicht sein, dass ich das neue „Soft Cell“ noch nicht vorgestellt habe – zumal es sich um das erste reguläre Album des Duos seit 20(!) Jahren handelt. Die beiden 80er Stars, die den Song „tainted love“ mit ihrer Interpretation unsterblich gemacht haben, bedürfen keiner weiteren Vorstellung. Und doch: Zwischen dem letzten Album der 80er („this last night…in sodom“) und dem Reunion Album „cruelty without beauty“ 2002 lagen bereits 18 Jahre. Und nun wieder 20 Jahre. In der Zeit ist viel passiert. Wieder ein Split. Sänger Marc Almond hatte 2004 einen sehr schweren Unfall, der auch psychisch tiefe Spuren hinterlassen hatte. Erst 2007 gab er sein Live Comeback. Im letzten Jahr gaben „Soft Cell“ bekannt, dass sie an einem neuen Album arbeiten würden. Und wie ist „happiness not included“? Auch wenn der Titel düster anmuten mag, hält das neue Werk überwiegend leichten Synth Pop bereit. Auf „purple zone“ sind sogar die „Pet Shop Boys“ dabei. Gerade dieses Stück tun viele als belanglos ab. Wie ich finde zu Unrecht. Denn tatsächlich steckt hinter den schönen Popmelodien einige Nachdenklichkeit. Ja, das Wilde und Ungestüme des Frühwerks findet sich nur noch ein kleines bisschen in Stücken wie „polaroid“. Es gibt aber auch – wie im Titeltrack – Reminiszenzen an 80er Minimal. Aber insgesamt bewegt sich der Synth Pop zwischen Selbstironie und ja, man muss es wohl so nennen: Alterswerk. Über 40 Jahre nach ihrem größten Hit sei ihnen das gegönnt – besonders, wenn sie das so gut machen.
„El Ojo Y La Navaja“ kommen aus Mexiko und machen Minimal Synth. Wer sich ein wenig mit der Szene dort auskennt, weiß damit in etwa, wie sich dieses Projekt anhört. Natürlich ist das nicht neu, aber das, was sie da treiben, machen sie bemerkenswert gut. Die Sounds stimmen, die Beats sind druckvoll und abgerundet wird das (Klang-)Bild von feinen Melodiefloskeln. Das etwas neuere Album „extimidad“ ist zwar auch gut, aber für meinen Begriff nicht ganz so rund wie „esuizia„.
Wieder mal ein mega Release auf Minimalkombinat: Ja, ein neues Album der „Fehlfarben“ ist so mittel spektakulär. Eine Live Album sowieso. Das verhält sich aber anders bei einem Live Album mit Aufnahmen aus dem Jahr 1980! Enstanden sind sie Ende 1980 in Köln, wurden am Pult mitgeschnitten und sind daher nicht so grottig, wie man es bei Aufnahmen derartiger Bands in der Zeit erwarten würde. Remastert wurde das Ganze von „Fehlfarben“-Mitglied und Ratinger Hof Legende Kurt „Pyrolator“ Dahlke himself. Wenn dann noch fast ausschließlich Stücke des legendären Debüt Albums der Band „monarchie und alltag“ darauf sind, kann das fast nur gut sein. Die Energie ist mitreißend und lässt einen nachfühlen, wie sich Konzerte im Ratinger Hof in der Zeit angefühlt haben müssen. Auch wenn die Qualität hinter heutigen High End Aufnahmen freilich weit zurückfällt, ist „live 1980“ weit mehr als ein hochspannendes Zeitdokument, sondern vielmehr ein gutes Album.
Gerade hat David Tibet von „Current 93“ auf Instagram die kleine Sensation publik gemacht: Bald wird es eine Wiederveröffentlichung des 1990er Albums „island“ geben! Auch als Vinyl! Dies ist ein Reissue, auf das ich tatsächlich seit Jahrzehnten warte. Damals hatte ich kein Exemplar bekommen, und seither muss man gut dreistellige Beträge dafür berappen. Zu dem Album selbst gibt es einiges zu berichten: Es war eine Zusammenarbeit zwischen „Current 93“ und dem isländischen Filmusik-Komponisten Hilmar Örn Hilmarsson aka HÖH. Die Musik ist – anders als die üblicherweise akkustischen Releases von „Current 93“ – bis auf ein paar Streicher rein elektronisch. Es finden sich dabei sphärische Interpretationen von anderswo veröffentlichten Tracks wie „fields of rape“ oder „lament for my suzanne“. Interessant dürfte auch sein, dass die noch junge Björk an einigen Stücken hörbar mitgewirkt hat. So ist „island“ in vielfacher Hinsicht ein außergewöhliches Album, auf das ich mich wirklich freue.
Beinahe wäre mir dieses Release durchgerutscht. Dann hat E.T. aus Hannover mich dankenswerterweise darauf aurmerksam gemacht: „Gentle Sinners“ ist das neue Projekt zweier durchaus bekannter Musiker, nämlich Aidan Moffat von „Arab Strap“ und James Graham von „The Twilight Sad“. Die beiden Schotten scheinen sich offenbar gesucht und gefunden zu haben. Denn ihr Debüt hat wenig mit ihren bekannten Bands zu tun, sondern klingt elektronisch, modern, spannden vielseitig und ausgesprochen innovativ. Es sprüht vor Ideen und ist selbst bei den etwas sperrigeren Titel mitreißend. Das macht die „Gentle Sinners“ zu weit mehr als einem Seitenprojekt, sondern scheint vielmehr eine vollständige Band zu sein. Nach nebenbei oder gar Ausschuss klingt das hier jedenfalls nicht. Digital ist „these actions cannot be undone“ letzte Woche erschienen. Physisch müssen wir uns leider noch bis September gedulden.
Na sowas! Was haben wir denn da? Die meisten Menschen, die auf einschlägigen „Szene-Veranstaltungen“ wie Gothic Pogo Party oder Waveteef unterwegs sind oder schon einmal die Tragedy Remains Party besucht haben, dürften Mr Urns kennen. Nun hat er den Schritt vom DJ zum Artist gewagt und seine erste EP als „Ivur“ digital auf bandcamp veröffentlicht. Tatsächlich überrascht das, was man zu hören bekommt, zunächst wenig, wenn man nur ein wenig weiß, welche Musik Mr. Urns aka „Ivur“ schätzt und auflegt. Gleichzeitig überrascht „alpha“ allerdings mit Vielseitigkeit, wie ich sie bei einer Debüt EP nicht unbedingt erwartet hätte. Hier treffen Italo Melodien auf Synthpop, Minimal und Coldwave. Schönes Debüt!
2020 überraschte die Berliner/Wiener Künstlerin Roas Anschütz mit ihrem Debüt Album „votive“ – einem düsteren ambientartigen Tripp. Nächste Woche erscheint mit „goldener strom“ das neue Werk, das tatsächlich ein deutliche Entwicklung aufzeigt. Hier spielt Anschütz mit Beat- und Sound-Elementen aus der Clubwelt. Dabei bricht sie mit gängigen Klischees – wie man schon bei dem Vorab Song „their blood“ hören konnte. Denn trotz der Beats sind die Tracks viel zu sphärisch, als dass man das Bedürfnis hätte, dazu zu tanzen. Andererseits erscheint die Atmosphäre insgesamt positiver. Spannende Platte!