„Bike“ ist eine Space-Psych-Band aus Sao Paulo. Bald erscheint ihr sechstes Album, für dessen Produktion sie niemand geringeren als Danger Mouse gewinnen konnten. Bisher spielten sie eine Mischung von Psych und Shoegaze. Nun haben sie noch Tropicalia dazu entdeckt. Zumindest bei dem ersten Song aus „arte bruta“. Hiermit schaffen sie es, sich sehr angenehm von anderen Genre Bands wie den „Black Angels“ abzuheben. Das hört sich aufregend an!
Das schwer zu greifende Projekt „Telescopes“ mit seinem Kopf und einzigen konstanten Mitglied Stephen Lawrie bringt kommende Woche ein neues Album heraus. Ein neues „Telescopes“ Album ist immer eine Überraschung, weil man nie so genau weiß, wohin die Reise dieses Mal geht. In den letzten Jahren verlor sich Lawrie gerne in ausfernde, düstere Freeform-Psychrock-Eskapaden. Dann das letzte Album „absence presence“: Totale Reduktion auf eine Akustikgitarre und Gesang. Bis auf ein paar Orgelsprenkler wars das. Anno 2023 sind die „Telescopes“ wieder eine Band. Dieses Mal allerdings so konkret und songorientiert wie lange nicht. Es hängt zwar noch eine gewisse Düsternis zwischen den Popmelodien, aber ansonsten war Lawrie wohl seit den 90ern nicht mehr so nah an dem Band Sound der Creation-Label Zeit dran wie hier. Nach den Eskapaden der letzten Jahre eine wirkliche Überraschung!
Charlie aka Leona Jacewska stammt aus Polen und hat mit „cold inside“ ihre Debüt Single veröffentlicht. Was die Producerin und DJ hier abliefert, verdient unbedingt gehört zu werden. So würfelt sie mit einer Leichtigkeit Minimal und Italo durcheinander, dass es ein großes Vergnügen ist. Die Single erschien bereits im letzten Jahr auf dem Kleinstlabel Ferry Lane Records und ist leider nicht ganz billig, lohnt aber dennoch unbedingt. Tipp!
Der Waliser Gruff Rhys hat soeben sein neues Album veröffentlicht. Dieses Mal ist es ein Soundtrack geworden. Davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen, denn trotz der soundtrack-üblichen Soundscapes hier und da, ist „the almond and the seahorse“ doch ein richtiges Album mit richtigen Songs geworden. Rhys vereint den alten „Super Furry Animals“ Sound mit zeitgenössischen Elementen ebenso wie mit 60s Flair. Das Ergbnis gibt sich stimmungsvoll und bewegt sich auf gewohnt hohem songwriterischen Niveau. Ein Muss für Fans von intelligentem Pop!
Der US-Amerikaner Jorge Elbrecht ist wirklich ein schräger Typ. Seine Release klingen allesamt komplett verschieden. Das Debüt ist darker Electropop mit „The Knife“-Anleihen, Album Nummer zwei ist Black Metal(!), Album Nummer drei verbindet das Beste der ersten beiden. Hier soll es um „presentable corpse 002“ von 2021 gehen. Elbrecht probiert erneut was Neues aus und zwar feinsten 60s Sunshine Pop im Stile von Morgan Delt. Textlich geht es um einen Soldaten aus dem Vietnam Krieg. Da wollen die zuckersüßen Melodien nicht so recht passen. Ganz tolle Platte, die da bisher an mir vorbeigegangen ist.
Geile Scheisse! Wer „Team Scheisse“ live schon einmal gesehen hat, oder auch nur eines der unzähligen Livevideos angeschaut hat, weiß, dass diese Band einem ein beseeltes Lachen ins Gesicht zaubern kann mit seiner unglaublich mitreißenden Energie. Mit ihrem neuen Album „042124192799“ erklimmen die Bremer nun das nächste muskalische Level. Ja, die jungen Herrchaften spielen weiterhin Punk, aber sie dabei auf Fun Punk zu reduzieren, täte ihnen musikalisch wie textlich doch sehr unrecht. Richtig ist, „Team Scheisse“ hat lustig-absurde Texte, aber ist die textliche Verarbeitung und Präsentation doch meist nur ein sehr direktes Stilmittel um ernste Themen zu transportieren. Tatsächlich sind sie von ihrer musikalichen Attitüde und ihren Texten nicht weit weg von anderen deutschen Indierockbands (von Pisse zu Die Nerven hin zu den krachigen frühen Tocos) und legen mit „042124192799“ die Latte für andere deutsche Veröffentlichungen in 2023 gleich zum Beginn des Jahres ordentlich hoch. Bockt! PS: Nein, die Bremer Telefonnummer habe ich mich nicht getraut anzurufen, wer weiß wo man da landet ;0))
Bevor „Yo La Tengo“ im April für drei Konzerte nach Deutschland kommen und im nächsten Jahr ihr -unglaubliches- 40. jähriges Bandbestehen feiern, veröffentlicht das Trio aus New Jersey nochmal schnell Album Nr. 17. Auch „this stupid world“ fügt sich nachtlos ein in eine Reihe vorangegangener Werke, alle auf fast beängstigend stabilem und unverändert hohem Niveau. Hört man „Yo La Tengo“, dann ist das wie Entschleunigung pur, fast als stünde für Momente die Zeit still, so unverwechselbar und doch niemals langweilig klingen sie. Gekonnt changieren sie dabei erneut zwischen hypnotisch-noisigen Soundeskapaden, dezenter Electronica und feiner Melancholie. Für diesen zeitlos-unzeitgemäßen Sound werden sie von Kritiker:innen geschätzt und ihren Fans verehrt. Ja, „Yo La Tengo“ haben es einfach, dieses besondere etwas und „this stupid world“ untermauert diesen Status nun ein weiteres Mal unaufgeregt wie eindrucksvoll.
Ja gut, zu der deutschen Elektro-Hip-Hop-Institution schlechthin brauch ich vermutlich nicht viel zu schreiben. Nicht erst seit „remmidemmi“ gehören sie auf jede Studiparty. Was „Deichkind“ aber von anderen Party Acts angenehm abhebt, sind einerseits ihre immer innovative Kunstansätze in der Ästehtik sowie ihre wirklich guten, politischen Texte, die mich immer an „Die Goldenen Zitronen“ denken lassen. Bei beiden Bands sind die Texte politisch, aber dabei geistreich, nie billig, nervig oder gar mit moralischem Zeigefinger. Das erledigen dann Wortspiele und Ironie.
Man schaue sich einfach mal „Deichkind“s Single Vorstellung von „auch im bentley wird geweint“ bei Jan Böhmermann an! Auch wenn die Protagonisten inzwischen kurz vor 50 sind, kommen sie auch soundtechnisch noch immer innovativ rüber. Gleichzeitig nehmen sie ihre eigene Generation mit „kids in meinem alter“ trefflich-charmant auf die Schippe. Schön auch „merkste selber„, in dem auf allmögliche Widersprüche unseres alltäglichen Lebens hingewiesen wird – und das im Partygewand. Sicher bin ich in dem Genre nicht Experte, aber dieses Album hat mich wegen der sich durch Musik und Texte durchziehenden Attitüde wirklich überzeugt.
Sebastian Hartwig – besser bekannt als eine Hälfte des legendären Minimal Duos „Lower Synth Department“ – hat seit Jahren quasi ganz nebenbei auf Youtube unter dem Namen „Zweitbesetzung“ etliche Tracks veröffentlicht, die sonst nirgends erhältlich waren. Das waren/sind Minimal Tracks ganz im Geiste der DIY 80er Jahre und das von so hoher Qualität, dass viele längst auf eine Veröffentlichung warteten. Das feine Label Minimalkombinat hat nun endlich eine Doppel LP plus CD mit 25 der Tracks veröffentlicht. Leider ist das Werk aber auf 177 limitiert und dementsprechend hochpreisig. Dennoch dürfte es schnell weg sein! Da gilt es, schnell zu sein…
Im letzten Jahr erschien mit dem großartigen „apocalypso“ das letzte Album von Mickaël Appollinaire aka „Monsieur Crane“. Seit gestern gibt es das digitale Mini Album „redux„. Das schließt an seinen Vorgänger an, ist aber runder und gleichzeitig auch etwas düsterer geworden. Die leichte Neuausrichtung tut dem Projektsound gut. Minimal trifft auf Nachdenklichkeit, Verträumtheit und Club. Geht nicht? Doch! Hört selbst!