Im Jahre neun nach dem herausragenden Debüt „seid umschlungen, millionen“ sind „Karies“ mit ihrem vierten Album zurück. Wo zu Beginn ihrer Karriere der kompromisslose Gitarrensound im Zentrum des Bandgefüges stand, kamen mit der Zeit immer mehr elektronische und poppige Elemente hinzu. Man könnte meinen, dass „Karies“ nach ihrer ungestümen Anfangszeit versöhnlichere Töne anschlagen wollen. Aber mit Friede, Freude, Eierkuchen hat das hier noch längst nicht zu tun. Es wird vielmehr ein neuer Klangksomos ausgelotet. Gut so! Kein Stillstand.
Im Februar erscheint auf dem Leipziger Label Clear Memory eine spannende EP, nämlich „Dog Balls“‚ „tell it to my dogs„. Musikalisch klingt das sehr nach „Le Syndicate Electronic“ – inklusive der düsteren Gesangseffekte. Das mag nicht unbedingt für den Dancefloor geeignet sein, hat aber eine wirklich spannende, dunkle Atmosphäre. Und obendrein kann man „Dog Balls“ ohne die politisch fragwürdige Ausrichtung von „LSE“ genießen. Tipp!
Die us-amerikanische Band „The Dancing Cigarettes“ existierte offenbar nur kurz. Jedenfalls veröffentlichte sie 1981 und 1982 jeweils eine EP. Dabei machten sie einen ganzen spannenden eigenen Sound zwischen No Wave, New Wave und dem typischen neuseeländischen Flying Nun Bands. Aber so ganz will auch das nicht passen. Hier und da spielen auch 60s Elemente oder Twee Pop mit rein. Es gab ein paar Compilation. Die letzte kam 2016 auf Magnetic South und ist inzwischen auch schon recht hochpreisig. Ein Neuauflage der Zusammenstellung würde man sich da doch wünschen. Jedenfalls ist diese Band ein unebdingter Tipp für alle Menschen, die mal etwas Neues entdecken möchten. Ach und live war das wohl auch ein echtes Spektakel:
In den letzten Jahren erfährt Tiki ein erneutes Revival. Das Pop-Phänomen aus den 50ern und frühen 60ern verband Traditionen polynesischer und karibischer Kulturen mit dem Pop US-amerikanischer Prägung. Legendär sind die Tiki Cocktails auf Rum Basis. Einer der ersten Musiker, der diese Mischung musikalisch einem breiten Publikum bekannt machte, war Martin Denny. 1957 veröffentlichte er gleich zwei Alben – „exotica“ und „exotica volume 2“, die den perfekten Soundtrack zu der Tiki Kultur lieferten. Jazziges Klavier, Vibraphon, skurile Sounds, Beats und Geräusche bis hin zu Tierlauten gibt es da zu hören. In den beiden folgenden Jahren veröffentlichte Denny mit seiner Band noch 5(!) weitere Alben in dem Stil. „exotica“ wurde 2020 wiederveröffentlicht, einige der der Folge-Alben im letzten Jahr. Das Label Jackpot Records, das sonst Alben von den „Wipers“, „White Stripes“ oder auch Elliott Smith bis hin zu „A Tribe Called Quest“ wiederveröffentlicht, hat sich nun Martin Denny gewidmet. Vielen Dank dafür! Und absoluter Tipp für schwülheiße Sommertage, die ja nun nicht mehr in allzu weiter ferne liegen dürften…
„CD Ghost“ sind ein Duo und kommen aus L.A. Ihre Musik ist verträumter Wavepop. Ziemlich cheesy. Vapor Wave haben die beiden sicher auch schon einmal gehört. Einige ihrer Tracks auf „night music“ würden auch gut auf das hippe Label Italians Do It Better passen. Der Albumtitel hätte kaum besser gewählt werden können. Das ist der Sound, den man hört, wenn man allein im Auto durch die Nacht fährt. Schöne Platte!
Das hier dürfte DIE Reunion der letzten Jahre schlechthin sein! Die französische 80er Art-Synth-Pop-Legende „Martin Dupont“ ist nach 35 (!) Jahren zurück! In diesem Jahr wird es eine ausgedehnte Tour geben und: Im März ein neues Album. „kintsugi“ heißt es und hält als erstes scheinbar eine Enttäuschung bereit; denn sämtliche Tracks sind Neuaufnahmen alter 80er Stücke. Allerdings ist dafür der Titel ja auch passend gewählt: „kitsungi“ ist eine japanische Methode, alte Keramik zu reparieren – zu erneuern. Natürlich kommen die Neuaufnahmen nicht ganz an die Originale ran. Der Band gelingt es aber, wirklich gute Neuinterpretationen abzuliefern. Die Atmosphäre der Tracks bleibt und wird in die Jetztzeit übertragen. Das bekommen wenige so gut hin. In dem Stil können sie gerne auch neue Stücke herausbringen!
Der 1908 geborene Eden Ahbez war ein seltsamer Typ. Er war zunächst Komponist und zeichnete sich u.a. für Nat King Cole’s legendäres „nature boy“ verantwortlich. Dann entschied er sich in die Natur zu ziehen und gilt heute als Prototyp eines Hippies. 1960 veröffentlichte er mit „eden’s island“ ein Album, das gleichermaßen Folk und Exotika verband, als das sonst noch niemand tat. Die Platte hat einen einzigartigen Charme, den sie auch heute noch versprüht. Ende des letzten Jahres erschien die erste wirklich aufwendige Neuauflage des Albums. Das Label Everland hat sich nicht nur die Mühe gemacht, die Aufnahmen liebevoll zu remastern, sondern hat unveröffentlichte Aufnahmen, Demos und Singles hinzugefügt und das Album so auf eine Doppel LP erweitert. Dabei handelt es sich hier nicht um Füllmaterial, sondern um eine würdevolle Erweiterung des Werkes. Dazu gibt es bei der Vinyl Version ein 24-seitiges Booklet mit allerlei Infos und Fotos. Das macht die Platte mit über 30 Euro leider hochpreisig. Das ist diese liebevolle Wiederveröffentlichung allerdings unbedingt wert. Lediglich die absurd teuren Boxen in einer Holzbox und mit T Shirt sind wirklich sinnlos…
In den letzten zwei Jahren war es etwas ruhig um die französische Postpunk Band „Frustration“. Auf einmal gibt es eine neue Single. Und die hat es in sich. Wo das letzte Album „so cold streams“ zwar vielschichtiger, allerdings auch weniger druckvoll war, geht es hier wieder ordentlich nach vorne. Und zwar auf a- wie b-Seite. Wohooo-Gesänge inklusive. Da hat man gleich Lust auf ein Konzert der 5., sind sie doch bekannt für ihre Live Qualitäten. Toller Start ins Neue Jahr. Hoffen wir, dass bald ein Album auf ähnlichem Niveau kommt!
Im März erscheint ein neues Album von den Artpoppern „Xiu Xiu“. Soweit, so normal. Allerdings verspricht das Label ein Album, das sich von gängigen Klanggewohnheiten verabschiedet. Wenn dann nun die zugehörige Promoagentur deswegen keine akive Promotion plant, scheint es wirklich schwer verdauliche Kost zu werden. Das macht neugierig. Der erste Track „maybae baeby“ weiß jedenfalls mit einem Sound früher „Neubauten“ plus cineastischer Klangbilder zu begeistern:
Im Jahr 2014 erschien mit „electronic jugoton – synthetic music from yugoslavia 1964-1989“ eine Doppel CD mit spannender Musik aus dem ehemaligen Jugoslawien. Da ging der Hype um den Synthwave vom Balkan der 80er Jahre erst richtig los. Mit dabei sind heute durchaus bekannte (und bei Discogs teure) Acts wie „Denis & Denis“, „Beograd“, „Data“, „Brazil“ und „Du Du A“. Die CD erscheint nun aufgeteilt auf zwei Doppel LPs erstmals auf Vinyl. Der bereits im Mai erschienene Teil eins beackert die 80er Jahre und ist damit der spannendere Teil. Gerade weil die Original Platten heute nur noch schwer in brauchbarem Zustand zu beschaffen sind, ist die geschmackssicher zusammengestellte Compilation ein heißer Tipp!